Einblick ins Wellenreiten
Der Surfveteran und Manager einer der professionellesten Surfagenturen Europas spricht mit LasPalmas24.com.
Sergio Alvarez Krutchoff (36) kennt die Wellen von Las Palmas und der gesamten Insel wohl wie Wenige. Seit 4 Jahren ist er Manager der Surfagentur Ocean Side und hat im Rahmen der von der Agentur organsierten Surftrips bereits Wellen um den Ganzen Globus geritten. Geboren in Barcelona, jedoch bereits mit 2 Jahren nach Las Palmas übersiedelt, dankt er heute noch Gott für diese Übersiedlung in die Surf-City Las Palmas. Lesen sie Insider-Wissen von einer der vielen Surflegenden der kanarischen Inseln!
Laspalmas24: Hallo Sergio. Erzaehl uns ein bisschen von deinen ersten Kontakten mit dem Surfen, welches bis heute das Zentrum deines Lebens geblieben ist.
Sergio: Wie so viele Kanarier nahm ich erstmals als ein junger Bursche von 12 Jahren koerperlichen Kontakt mit den die Stadt umrauschenden Wellen auf und zwar in einer typisch kanarischen Form, welche wir hier als "cebar olas" bezeichnen. Das ist nichts anderes als das Surfen von Wellen nur mit dem Oberkoerper. Brust raus und Kopf nach oben - so funktioniert das. Ganz ohne Surfbrett. Spaeter leihte mir dann ein guter Freund sein Surfbrett und nach wenigen Tagen musste dann ein eigenes, gebrauchtes Brett her, denn schliesslich wollte ich nicht unsere Freundschaft gefaehrden und meinem Kumpel andauernd sein heissgeliebtes Brett "entwenden".
LasPalmas24: Wie ging das Ganze dann weiter?
Sergio: Nun da ich unter Woche taeglich bis 19h in der Schule war, war unter der Woche nicht viel mit Surfen. So fieberte ich immer den Wochenenden und den Ferien entgegen, welche allein mit Surfen vollkommen ausgefuellt waren. Mit der Zeit dominierten in meinem Freundeskreis immer mehr die Surfer und so wurde dieser Sport zum Mittelpunkt meines Lebens, was er bis heute geblieben ist.
LasPalmas24.com: Aller Anfang ist schwer. Welche Tips und Ratschlaege kannst du Menschen geben, die bei ihren ersten Surfversuchen mit Problemen kaempfen?
Sergio: Die ersten Surfversuche sollte man meiner Meinung nach unbedingt in einer guten und professionellen Surfschule machen. Das sage ich nicht nur weil ich selbst der Geschaeftsfuehrer einer solchen Schule bin (zwinkert), sondern weil man mit professioneller Hilfe ganz einfach vom ersten Moment weg mehr geniesen koennen wird. Man lernt die Manoever und das richtige Reagieren auf die Wellen ganz einfach schneller. Darueberhinaus ist es wie in jeder Sportart extrem wichtig ein gewisses grundlegendes technisches Wissen und Koennen vermittelt zu bekommen. Viele Menschen denken, dass sie sich das Surfen auch selbst beibringen koennen. Was sicher auch moeglich ist. Nur sicher langsamer und muehsamer als wie wenn man vor den ersten eigenen Surfschritten, zumindest einen einwoechigen Kurs in einer Surfschule absolviert hat. Einmal eingelernte Fehler, sind nur muehsam wieder auszubessern.
LasPalmas24: Neben dem technischen Wissen ist aber auch die richtige psychische Einstellung zu diesem auch in diesem Bereich anstrengenden Sportart noetig. Mit welcher Einstellung sollten Anfaenger das Surfen kennen lernen?
Sergio: Um das Surfen, die Freiheit und die Natur wirklich geniesen zu koennen ist es vor allem wichtig sich am Anfang nicht unter Druck zu setzen. Man sollte sich auf sich selbst konzentrieren und sich nicht dafuer schaemen am Anfang vielleicht eine schlechte Figur zu machen. Wer mit Respekt, Konzentration und Lockerheit die ersten Schritte in den Wellen wagt, wird sicherlich mehr geniesen koennen. Fallt man vom Brett ist das keine Schande, sondern man sollte einen Sturz in die warmen, weichen Wellen von Gran Canaria genauos geniesen koennen, wie eine perfekt gesurfte Welle. Schliesslich soll das Surfen kein Wettbewerb sein, sondern ein geniesen von Augenblicken inmitten einer maechtigen und wunderschoenen Naturlandschaft.
LasPalmas24: Unsere heutige Gesellschaft und die in ihr lebenden Menschen sind leider oft von einer gewissen Orientierungslosigkeit geplagt. Welche ethischen Werte kann deiner Meinung nach diese Sportart unserer Gesellschaft vermitteln?
Sergio: Respekt vor der Natur. Eine der schlechtesten Eigenschaften der Menschheit ist wohl die Arragonz und der Groessenwahn gegenueber der Basis unseres Lebens: Mutter Erde. Wer je einmal ein Spielball der Kraefte der Natur geworden ist, wie es ab und zu jedem Surfer passiert, der versteht wie klein und ohnmaechtig der Mensch gegenueber den entfesselten Kraeften des Ozeans ist. Nur wer Respekt und Liebe gegenueber den Wellen empfindet, wird auch ein guter Surfer werden. Diese Liebe und dieser Respekt gebenueber der Natur sind glaube ich Werte, die unsere Gesellschaft in eine besser Richtung lenken koeonnen. Darueber hinaus formt und bildet das Surfen Geist und Koeper. Wer da draussen in den Wellen richtig reagieren will, der muss geistig hundert prozentig da sein und in seiner Mitte ruhen. Die koerperliche Anstrengung, das andauernde Rudern, sorgt fuer den Rest: einen gut ausgebildeten und gesunden Koerper.
LasPalmas24: Wuerdest du das Surfen als gefaehrliche Sportart bezeichnen. Worauf gilt es zu achten, um das vorhandene Risiko auf ein Minimum zu reduzieren?
Sergio: Wie in jeder Sportart sollte man es nicht uebertreiben. Surfen ist eine Sportart die suechtig machen kann, wie wohl kaum eine andere. Trotzdem sollte man immer an Pausen denken, welche der Koerper ganz einfach braucht. Es ist sicherlich nicht ratsam sich 6 Stunden am Tag in den Wellen herumzutreiben, denn die unnatuerliche Koerperhaltung welche man rudernd am Brett einnimmt, kann zu ernsthafen Halswirbelverkruemmungen fuehren. 2 Stunden am Tag sollten genug sein und ab und zu sollte man seinem Koerper auch einen "surffreien" Tag goennen. Naechster wichtiger Punkt: intensives und konzentriertes Aufwaermen vor dem Surfen. Man sollte nicht vergessen, welch unglaubliche Kraefte in den Wellen auf den menschlichen Koerper einwirken. Tonne von Wasser werden da bewegt und du bist mittendrinn. Also Stretching der Hals und Rueckenmuskulatur und ein paar Minuten Laufen um den Kreislauf in Schwung zu bringen, koennen das Verletzungsrisiko um einiges minimieren.
LasPalmas24: Das Surfen und die Angst. Wie soll man mit gegenueber der Angst, welche der eine oder andere im Wasser manchmal empfindet umgehen?
Sergio: Das was Surfer im Wasser empfinden, wuerde ich eher als Respekt und nicht als Angst bezeichnen. Angst lehmt den Denkprozess und fuehrt zu Fehlentscheidungen. Respekt ist gesund, Angst kann schaedlich sein. Jedoch empfinden nicht nur Anfaenger, sondern auch Profis und erfahrene Surfer hin und wieder Angst. Ist dies der Fall, sollte man eben diese Welle besser nicht nehmen oder im Extremfall besser aus dem Wasser gehen. Angst hat der Mensch vor allem vor dem Unbekannten. Deswegen kann man die Angst beim Surfen dadurch minimieren, indem man sich von erfahrenen Surfern und Einheimischen, oder im Idealfall einem Surflehrer, folgende Infos einholt: Gibt es am Strand gefaehrliche Stroemungen? Wie schauts mit dem Untergrund aus? Felsig? Riffe oder Sand? Wie verhaltene ich mich in Extremsituationen? Was mache ich wenn mich die Welle unter Wasser drueckt?
LasPalmas24: Ok. Was mache ich dann zum Beispiel, wenn mich diese boese Welle unter Wasser drueckt?
Sergio: Das einzige was man dann machen kann, ist sich zu relaxen und zu warten, bis die Wellen ueber einen hinweggerauscht ist, um erst dann wieder aufzutauchen. Den groessten Fehler ist in Panik zu verfallen und mit Gewalt zu versuchen, so schnell wie moeglich wieder aufzutauchen. Dabei verbraucht man nur schneller und unnoetig Sauerstoff. Die Kraefte des Wellen sind so gewaltig, das man ganz einfach abwarten muss, um wieder auftauchen zu koennen. Aber hier spreche ich von wirklich grossen Wellen, mit welchen Anfaenger die mit einer guten Surfschule die ersten Surfversuche mache, gar nie in Kontakt kommen werden.
LasPalmas24: Du hast in Hawaii, Bali, Australien, Portugal und Kalifornien gesurft. Wie wuerdest du Las Palmas als Surfspot international einordnen?
Sergio: Fuer mich ist Las Palmas aus folgenen Gruenden einer der besten Surfspots weltweit: Erstens gibt es hier das ganze Jahr ueber Wellen. Dann verfuegt Las Palmas innerhalb weniger Kilometer ueber Surfspots, die wirklich Surfer aller Niveaustufen befriedigen. Anfaenger tummeln sich am "La Cicer". Fortgeschrittene treiben sich auf "El Lloret" und "La Puntilla" herum. Wirkliche Koenner reiten an der fuer viele besten Rechtswelle Europas auf "El Confital". Bodyboarder behersschen die Szene in den Spots in "San Cristobal" und auf der "Playa La Laja". Die Vielfalt der Surfspots alleine innerhalb des Stadtgebietes ist weltweit einzigartig. Darueber hinaus sind da noch die zahllosen Surfspots im Norden der Insel, welche nur 15 Autominuten vom Stadtzentrum entfernt ist. Naechster Trumpf von Las Palmas: die ganzjaehrig angenehmen Wassertemperaturen. Kanarische Surfer kennen das Wort "Gaensehaut" ueberhaupt nicht. Als naechstes muss ich die augezeichneten, hoechst moderne Infrastruktur der Surfspots erwaehnen. Parkplaetze, Duschen, Surfshops, Restaurants und Toiletten - kein Wunsch nach Komfort bleibt in Las Palmas offen. Schlussendlich moechte ich noch hinzufuegen, dass Las Palmas einer der guenstigesten Surfdestinationen in der westlichen Welt oder den Industrielaendern ist. Natuerlich ist Indonesien billiger, aber was sie rein qualitativ in Las Palmas geboten bekommen, sucht wirklich weltweit seinesgleichen. In unserem Surfcamp gibts bereits ab 10 Euro ein Zimmer mit Blick auf die Wellen. Soviel zum Thema preiswert ...
LasPalmas24: Die Surfregeln im Bezug auf das Verhalten gegenueber anderen Surfern,sind fuer viele Anfaenger ein Raetsel. Kannst du uns in dieser Beziehunge ein wenig aufklaeren?
Sergio: Gut dann klaere ich dich ein zweites mal auf (lacht). Regeln gibt es viele. In unserer Surfschule versuchen wir die wichtigsten davon mittels DVD kompakt, lebendig und leicht verstaendlich zu vermitteln. Eine der wichtigen Regeln zum Beispiel ist, dass man gegenueber guten Surfern und Einheimischen einen gewissen Respekt an den Tag legen sollte. Damit meine ich, dass man sich als Neunankoemmling in einer Welle nicht vordraengelt oder dass man den Einheimischen die hoechste und beste Stelle der Welle ueberlaesst. Dabei geht es vor allem darum, dass Anfaenger und auf einem niedrigeren Niveau angesiedelte Surfer ganz einfach Fehler machen und die guten Surfer dadurch unbeabsichtig und unbewusst stoeren. Deswegen sollte man eben eine gewissen Respektsabstand einhalten. Ist man laenger an einem Spot, kennt man die Leute und steigt das eigene Niveau kann man dann schon frecher werden. Natuerlich sollte dieser Respekt auf Gegenseitigkeit beruhen, deswegen bin ich auch kein Anhaenger des extrem "Lokalismus". In Lanzarote gibt es Straende, an denen dich die Einheimischen nicht ins Wasser lassen werden. Das kanns natuerlich auch nicht sein.
LasPalmas24: Abseits vom Respekt. Nenn uns bitte eine unumstoessliche und auf allen Wellen der Welt geltende Surfregel.
Sergio: Wer die Welle am weitesten draussen im Meer, wer sie also zuerst und am hoechsten Punkt nimmt, der sollte von anderen Surfern in dieser, "seiner" Welle, nicht gestoert werden. Wer diese wichtige Regel nicht respektiert, wird vor allem an stark frequentierten Spots Probleme bekommen. Aber es darf hier nicht das Bild enstehen, die Stimmung in den kanarischen Wellen sei feindlich und aggressiv. Das ist ueberhaupt nicht der Fall. Kommt man als Fremder neu in eine Welle, gruesst die bereits anwesenden Kollegen und befolgt diese wenigen Regeln wird man im Wasser viel Spass haben und auch leucht Einheimische kennen lernen, mit denen man dann spaeter ein kuehles Tropical ziehen kann (Anm. d. Red.: Tropical ist eine typisch kanarische Biersorte).
LasPalmas24:Was in Gran Kanaris das Surfen, ist in Deutschland/Schweiz/Oesterreich das Snowboarden oder Skifahren. Hast du bereits Kontakt mit diesen Sportarten aufgenommen? Falls ja, wann und wo? Siehst du irgendwelche Paralellen?
Sergio: Natuerlich war ich schon Snowboarden! Sowas lasse ich mir doch nicht entgehen (lacht). Das erste mal am Snowboard stand ich mit 12 Jahren und zwar in den franzoesischen Alpen. Zurzeit jette ich jedes Jahr im Zuge der Snowboards-Trips, organsiert von unserer Agentur Ocean Side, nach Andorra. Die Teilnehmer dieser abenteuerlichen Ausfluege sind zu 80% kanarische Surfer, auf der Suche nach einem neuen Kick. Trotzdem glaube ich, dass von der Intensivitaet des Erlebnisses her, nicht einmal das Snowboarden mit dem Surfen mithalten kann. Jede Welle ist einzigartig, wogegen ein Skihand immer der gleiche ist. Was wohl dem Surfen am Naehsten kommt, ist das Fahren in 1 Meter Tiefschnee auf einem steilen Hang.
LasPalmas24: Wie lange lebst du bereits in Las Palmas? Was macht fuer dich das Besondere dieser Stadt aus?
Sergio: Ich lebe bereits seit 36 Jahren in meiner Traumstadt. Ich hatte das Glueck im Auftrag von Ocean Side grosse Teile der Welt zu bereisen, habe viele Staedte und verschiedene Kulturen kennengelernt, jedoch wuerde ich keine dieser Staedte mit meinem Las Palmas tauschen wollen. Am Leben in Las Palmas fasziniert mich vor allem die Vielseitigkeit der Naturlandschaften, welche die Stadt umgeben. Man kann den Vormittag surfend in 25 Grad warmen Wasser verbringen, den Nachmittag in 1500 Meter Hoehe wandernd in kuehlen Pinierwaeldern geniesen und am Abend durch eine nahezu irreale Miniaturwuestenlandschaft (Anm. d. Red. gemeint sind die Duenen von Maspalomas) spazieren. Durch die geringen Entfernungen, die auf unserer kleinen Insel zurueckzulegen sind, kann man neben dem Surfen eine landschaftliche Vielseitigkeit geniesen, die es wohl nur an wenigen Plaetzen dieser Erde gibt (denkt nach)... und da sind dann natuerlich noch die kanarischen Frauen (lacht laut).
LasPalmas24: Hast du zum Abschluss irgendeine Nachricht, die du in Richtung unserer Leser schicken willst?
Sergio: (Seine Hand geht langsam an sein Kinn und sein Blick nachdenkend in die Ferne. Man hat des Gefuehl er nimmt in Gedanken gerade eine Welle.) Dieser Sport, das Surfen ist eine eigene faszinierende Welt, die mit der Zeit dein ganzes Leben positive beeinflussen wird. Stress in der Arbeit? Probleme mit der Freundinn? Finanzielle Sorgen? Mitten in den Wellen des Ozeans werden alle deine Probleme zumindest fuer ein paar Stunden am Tag unwichtig und klein. Oder vielleicht sollte ich das besser so formulieren: Das Surfen rueckt deine Probleme wieder in die richtigen Proportionen. Du wirst dir bewusst, dass das wichtigste weder Geld, noch Frauen sind, sondern dass du gesund bist und dass du den Augenblick geniesen kannst. Die Jahre vergehen, alle werden wir aelter. Was bleibst sind nur jene Momente, in denen wir uns wirklich lebendig gefuehlt haben ...
LasPalmas24: Da koennen wir dir nur zustimmen. Vielen Dank fuer dieses ausfuehrliche, ehrliche und interessante Interview!
Sergio: Kein Problem. Wir sehen uns in den Wellen.
Das Interview wurde geführt und aus dem Spanischen uebersetzt von LasPalmas24-Mitarbeiter Thomas Borstner.