Der "Canyon" mitten in der Stadt
Ein Spaziergang durch den ruhigen und fast menschenleeren Canyon direkt im Stadtgebiet von Las Palmas.
Dieses Flussbett trennte einst die beiden ältesten Stadtviertel von Las Palmas, Triana und Vegueta voneinander. Für Umweltschützer und Naturfreunde "leider", wurde er zu Anfang des 20. Jahrhunderts dem Erboden beziehungsweise einer Autobahn gleichgemacht. Auf historischen schwarz-weiss Bildern ist noch zu erkennen, welche Schönheit dieses Flussbett einst der Altstadt von Las Palmas verlieh.
Die artenreiche Flora und Fauna des Flußbetts und das durch ihn fliessende klare, frische Wasser aus dem Inselinneren, machten aus der Altstadt von Las Palmas eine von Palmen bewachsene, tiefgrüne Oase. Außer kleinen grünen Flecken am Mittelstreifen der Autobahn ist heute im Zentrum der Stadt leider nicht mehr viel übrig von der einstigen Artenvielfalt.
Folgt man jedoch dem Flussbett, vorbei am Stadtviertel San Nicolàs, und dringt immer tiefer in das Flussbett ein, welches sich später zu einem breiten canyonartigen Tal erweitert, wird die Landschaft immer unberührter und die Natur schwingt mit immer grösserer Vehemenz das Zepter.
Immer mächtiger und die Atmosphäre beherrschender werden die Geräusche der Natur und immer schwächer und ferner klingend der Lärm des Stadtlebens. Der Gesang von exotischen Vögeln verbreitet eine "paradiesische" Stimmung.
Die seitlich des Tales aufsteigenden vulkanischen und porösen Felswände werden mit jedem Meter den man ins Tal eindringt steiler und höher – bis man sich plötzlich in einer Art Canyon wiederfindet. Über diesen Felsen liegen riesige von Antennen und Satelitten "verzierte" Wohnblöcke der Stadtviertel San Roque und San Nicolas. Behausungen der Moderne. In den direkt darunter liegenden Felsen sind die "Wohnungen" der Ureinwohner Gran Canarias, uralte Höhlen in den schwindelerregenden Flanken des Canyons liegend, zu finden.
Kaum zu glauben, dass man sich nur wenige hundert Meter entfernt von der lärmenden und pulsierenden, fast 400.000 Einwohner zählenden Hauptstadt der kanarischen Inseln befindet. Was man im Grosstadt-Dschungel oft vergisst, nämlich dass man sich auf Gran Canaria befindet, welche ein einzigartige Flora und Fauna beheimatet, wird einem hier wieder bewusst. Nimmt man sich Zeit die Umwelt genau zu beobachten, merkt der Mitteleuropäer dass ihm die wenigsten Pflanzen aus der Heimat bekannt sind. Vorsichtig und respektvoll überlegt man sich zweimal welche Pflanzen man angreift, denn sie könnten ja giftig sein …
Verwahrloste, zaundürre und winzige Hunde, kaum grösser als eine Katze, starren still und verängstig von den die Bananenplantagen abschirmenden Steinmauern. Starrt man zu lange ins Hundeauge oder nähert man sich zu sehr der Plantage holen die kleinen, fast Mitleid erregenden Wollknäuel durch ihre Gejaule schnell ihren mehr als Respekt einflössenden grossen Bruder zu Hilfe: einen rund 100 kg schweren Schäferhund, dessen Blick einen schnell und wortlos zum Weitergehen überredet.
Viele der Plantage und einfachen Landhäusersind heute nicht mehr bewirtschaftet beziehungweise bewohnt. Die Zeit nagt an diesen Werken des Menschen und die Natur erobert mit jedem Jahr ein Stück Kultur zurück. Verrostete Türschlösser, bröckelnde Mauern, verrottende, abgestorbene Palmen, ausgebrannte Busse und Autowracks sorgen für eine morbide und geheimnissvolle Stimmung, die nicht einer gewissen, seltsamen Schönheit entbehren.
Nach rund eineinhalb Stunden Fussmarsch, gelangen wir an eine riesige Autobahnbrücke, die den Canyon überspannt. Unterhalb der Brücke führt eine Strasse aus dem Tal auf die Anhöhe, auf der das Vorstadtviertel "Casablanca 3" liegt. Von hier aus kann man einen den Ausflug abschliessenden traumhaften Blick über den gesamten Barranco de Guiniguada werfen. Auch der Blick auf das östlich liegenden Stadtviertel "San Roque", dass aus dieser Perspektive auf einem Felsen vor dem Atlantik trohnt, ist wirklich sehenswert.
Für die Rückreise empfiehlt es sich, von Casablanca 3 aus den Stadtbus zurück in Richtung Triana (Linie 8 oder 84) oder in Richtung Santa Catalina (Linie 81) zu nehmen.