Zentralfriedhof von Las Palmas

Eine Sehenswürdigkeite der nachdenklichen Art

Nur einen rund 10 minütigen Fussmarsch von der zentral in Vegueta gelegenen Kathedrale Santa Ana in Richtung Süden, liegt dieser wohl sehenswerteste und schönste Friedhof aller kanarischen Inseln. Es handelt sich hierbei wohl um eine "Sehenswürdigkeit" der etwas anderen Art.

Aufgrund einer Gelbfieber Epidemie die im Jahre 1811 in der Bevölkerung wütete, wurde ein neuer und größerer Friedhof notwendig. Auf der Suche nach dem idealen Ort für die Bestattung in ordentlichen und ehrenvollen Grabstätten wurde man an der „Plaza de las Tenerias“ fündig.
Der Architekt Jose Lujan Perez war für die Planung des Friehofes verantwortlich. Der Künstler, der bei der Gestaltung dieses Friedhofes aber federführend war, war zweifelsohne Manuel Ponce de Leon. 17 seiner Werke und Schöpfungen zieren diesen Friedhof, wobei sein künstlerisch und wunderschön geschmiedetes Eisentor am Eingang des Friedhofes wohl noch hervorzuheben ist. Der italienische Künstler Paolo Triscornia di Ferd erschuf zu Ehren seiner im Jahre 1888 bei einem Schiffsunglück im Hafen „Puerto de la Luz“ umgekommenen Landsmänner ein Monument, welches 4 Jahre später fertig gestellt wurde. Darueberhinaus entwarf er für das Grab der Familie Rodriguez klassische Skulpturen, welche das Schicksal und den Todesengel symbolisieren.

Wie an so vielen Plätzen von Las Palmas spiegelt sich sogar an diesem Ort der Ruhe und Nachdenklichkeit die Internationalität von Las Palmas wieder. Deutsche, spanische, holländische und englische Gräberinschriften verweisen auf die Lage der Stadt zwischen verschiedensten Kulturkreisen. Aus allen Himmelsrichtungen strömten einst und auch heute noch die Menschen auf diese Insel "ihrer Träume". Jeder hatte so seine Ziele und suchte in der Hauptstadt der kanarischen Inseln nach seinem ganz persönlichen Glück. Die einen waren nach den Maßstäben ihrer Zeit und Gesellschaft erfolgreicher und ruhen jetzt unter pompösen Marmorsäulen, bewacht von Engelstatuen mit melodramatischem Gesichtsausdruck. Die anderen suchten vergeblich nach Wohlstand und gesellschaftlicher Anerkennung, oder vielleicht hatten sie auch ganz einfach nur Besseres zu tun.
Für sie reichte es nur zu einem einfachen Holzkreuz oder einer bescheidenen Ecke in einer Wand voller Schubladen mit makaberen Inhalten. In den noch frischen Mörtel wurde mit den Fingern nur schnell das Datum und ein schiefes Kreuz gezeichnet.

Ein paar Meter weiter blicken wir plötzlich
auf ein verstaubtes Grab, an dem zwei vertrocknete Lilien hängen. Es ist das Grab der kleinen Isabel, die im Jahre 1879 bereits im frühen Alter von 15 Jahren des Lebens beraubt wurde. Vor 127 Jahren! Wie lange mögen diese Blumen, die wie die kleine Isabel so früh verblühen mussten, wohl schon hier hängen? Wandelt noch irgendein "unverkalktes" Gehirn über die Erde, das die Geschichte von der kleinen Isabel noch zu erzählen weiss? Warum musste sie so früh sterben? War sie ein lebthaftes Kind und was war ihre Lieblingssüssigkeit? Ist noch irgendwas von diesem kleinen Wesen zumindest in der Erinnerung eines theoretischen Ur-Ur-Ur-Ur-Enkels übrig? Oder soll das alles sein was noch an dieses Kind erinnert? Ein kalter Stein, dem kein Schwein Beachtung schenkt.

Wir Menschen wollen es ganz einfach nicht wahrhaben und ehrlich gesagt ist es auch nicht ganz einfach zu kapieren: Die Endlichkeit unserer eigenen Existenz. Wir wollen möglichst nicht daran erinnert werden, dass unser Körper, nicht anders als der eines herrenlosen Strassenköters, eines Tages verwesend wieder Teil der Erde wird.

Wie alle Friedhöfe der westlichen Welt ist auch jener in Las Palmas von hohen Wänden umgeben und wurde am einstigen Stadtrand von Las Palmas erbaut. Möglichst weit weg von den Lebendigen und doch nicht zu weit, um gelegentliche Trauerbesuche nicht zu aufwendig zu gestalten. Die Verstorbenen wiederum werden vergraben, in Kisten eingeschlossen oder mit Hilfe des Feuers pulverisiert.

Schreitet man diesen Gedanken folgend über diesen Friedhof - links, rechts und unterhalb von Toten Menschen umgeben - wird man vielleicht des Wertes und der Besonderheit des Umstandes bewusst, dass man all diesen Verstorbenen (noch) eines Voraus hat: Man lebt noch. Die eigene, einzigartige Geschichte ist noch nicht zu Ende geschrieben. Noch tragen uns unsere Füße an den Strand "Las Canteras", noch geniest unser Hirn die entspannende Wirkung eines abendlichen, eiskalten Bieres, noch spüren wir unsere Lippen beim Küssen unserer Liebsten. Das was uns jetzt so selbstverständlich scheint, wird im Blick auf die Gräber von Menschen aus mehreren Jahrhunderten so vergänglich wie eine an der Küste der Stadt zerschellende Welle.

Es ist 9h morgens und keine Menschenseele ist zu sehen
. Die Menschen die hier ruhen hat die ihrige auch bereits vor langer Zeit verlassen. Nur das friedliche und sympathische Zwitschern der "Spatzenversionen" von Gran Canaria und das Rauschen des Windes in den Blättern eines Baumes sind zu hören. Auf der Friehofsmauer geniest eine zwischen REM-Phase und Halbschlaf schwankende Katze die ersten Sonnenstrahlen. Als ein "Katzenkollege" miauend um die Ecke schleicht, startet eine längere Konversation in einer uns leider unverständlichen Tiersprache. Wahrscheinlich geht es um das Essen und wo die "Alte" bleibt, die ihnen ja schon längst das Whiskas hätte bringen müssen. Am Friedhof von Las Palmas sind die sonst so extrovertieren Spanier einmal leise und bescheiden und die Natur beherrscht die Geräuschkulisse mit eiserner Hand. Hier sind die wahren Machtverhältnisse wieder hergestellt, über die der moderne und alles beherrschende Mensch sich schon hinweggesetzt zu haben scheint. Doch der Mensch ist sterblich und daran können alle Kreuze, Heiligenbilder, Blumen und Marmortafeln nichts ändern. Das Beste was wir machen können ist das Hier und Jetzt, den heutigen Tag, der uns von irgendetwas oder jemanden oder vielleicht auch "nur" von unseren Eltern geschenkt wurde, zu geniesen.

Es mag nicht jedermanns Sache sein
, jedoch kann ein Besuch am Zentralfriedhof von Las Palmas eine interessante, aufschlussreiche und vielleicht wachrüttelnde Erfahrung sein. Nach dieser Zeit des Einkehrens, der Reflexion und Betrachtung ist es Zeit zu leben und wir könnten wohl kaum an einem bessern Ort als Las Palmas sein, um den Tag zu feiern. Vom Morgengrauen am Paseo Maritimo bis zum Sonnenuntergang am Playa de las Canteras. Dazwischen ein Tag voller Abenteuer und Möglichkeiten. Die Gewissheit des eigenen Todes, das Ende des Lebens in dieser Form (ob es eine andere Form nach dem Tod gibt, wollen wir hier nicht beackern. Daran sind bereits intelligentere Menschen gescheitert) kann uns die Angst vor den Unsicherheiten und Unvorhersehbarkeiten des Lebens nehmen. Machen sie nicht gerade das Leben aus?

Tipp: Wer große Menschenansammlungen vermeiden und die friedliche Atmosphäre ungestört geniesen will, der sollte früh aus dem Bett und sich bereits zwischen 8-9h morgens am Friedhof einfinden.

Adresse:

Plaza de las Tenerías

Öffnungszeiten:

täglich von 8.00 - 13.00 Uhr und 15.00 -17.30 Uhr